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Russlands Präsident Wladimir Putin (Archivbild)

© Imago/Mikhail Klimentyev

Putins Chemotherapie, Sabotage-Pläne der Offiziere?: Geleaktes US-Geheimpapier schildert Machtkampf im Kreml

Die Konflikte in Moskaus Führung könnten größer sein als bisher bekannt. Offiziere sollen geplant haben, den Krieg zu beenden. Sie wollten dafür angeblich eine Erkrankung Putins nutzen.

Ob Putins Tod als mögliches Kriegsszenario oder die Stationierung von Nato-Elitetruppen in der Ukraine: Täglich dringen neue Details aus angeblichen Dokumenten der US-Geheimdienste nach außen. Sie waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, werden nun aber von Medien, darunter die „New York Times“, ausgewertet – nachdem sie zunächst auf der Kommunikations-Plattform „Discord“ veröffentlicht wurden und sich anschließend im Internet verbreiteten.

Russische Armeeführung soll Plan gehabt haben, den Krieg zu sabotieren – zum Schaden Putins

In einem der Geheimdienstdokumente steht ein besonders brisanter Hinweis, der Spannungen innerhalb der russischen Führung zum Thema hat. In dem Dokument wird eine prominente ukrainische Quelle zitiert, die wiederum eine russische Quelle mit angeblichem Zugang zum Kreml zitiert. Die ukrainische Quelle behauptet, dass es einen Versuch gegeben habe, den russischen Angriffskrieg aus den Reihen der Moskauer Militärführung zu sabotieren.

Verantwortlich für den Sabotageversuch sollen demnach Nikolai Patruschew und Waleri Gerassimow gewesen sein, ihres Zeichens Offizier im Sicherheitsrat der Russischen Föderation und Chef des Generalstabs und inzwischen Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine.

In dem Dokument, das auch dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es umständlich formuliert:

Russland plante, Ressourcen von Taganrog, Russland, nach Mariupol, Ukraine, umzuleiten und seine Aufmerksamkeit [damit] auf die Südfront zu richten. Laut [der Quelle] stand der Plan für die ‚Offensive‘ (keine weitere Information) im Verdacht, eine Strategie zu sein, die vom Sekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats Nikolai Patruschew und dem russischen Generalstabschef Waleri Gerassimow entwickelt wurde, um Putin vermutlich zu sabotieren.

Der Quelle nach habe Gerassimow die geplante Offensive abgelehnt. „Er informierte Putin, dass die ukrainischen Streitkräfte den russischen überlegen seien und warnte, dass Russland schwere Verluste erleiden würde, wenn die Offensive stattfände.

Zusammenfassen lässt sich der Sachverhalt so: Ein Sabotageversuch hochrangiger Militärs habe darin bestanden, eine militärische Niederlage herbeizuführen – mit dem Ziel, Putin schlecht dastehen zu lassen. Die Vermutung: Mit einer schmerzhaften Niederlage Russlands wäre der Krieg an ein Ende gekommen.

Weiter heißt es in dem Geheimdienstdokument, der Krieg hätte dem Sabotageplan nach bis zum 5. März beendet worden sein sollen – da Putin für diesen Tag den Beginn einer Chemotherapie geplant hätte und damit nicht in der Lage gewesen wäre, die Sabotage zu verhindern. Gerüchte über Putins Gesundheitszustand gibt es schon lange. Auch der ukrainische Geheimdienst behauptete, dass der Kreml-Chef krank sei. Beweise jedoch fehlen.

Putin greift ein: Munitionsstreit zwischen Prigoschin und Schoigu

Ob die Behauptungen in dem Geheimdienstdokument stimmen, lässt sich nicht verifizieren. Allerdings bieten die Leaks weitere Hinweise auf Uneinigkeit innerhalb der russischen Armeeführung. Die „New York Times“ hat nun weitere, neu entdeckte Dokumente ausgewertet und spricht davon, dass die bereits bekannten Spannungen innerhalb der russischen Führung um den richtigen Weg im Ukrainekrieg größer seien, als bisher bekannt.

Es geht unter anderem um Jewgeni Prigoschin, den Chef der Söldner-Gruppe Wagner, und den Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Prigoschin, dem politische Ambitionen nachgesagt werden, hatte sich mehrfach öffentlich darüber beklagt, dass seine Männer in der Ukraine mit zu wenig Munition kämpfen müssten. Das Verteidigungsministerium würde seine Anrufe ignorieren, behauptete Prigoschin, dessen Soldaten ein wichtiger Faktor im russischen Militär sind.

Angeblich ist der Streit zwischen Prigoschin und Schoigu so weit eskaliert, dass Kreml-Chef Putin einen Schlichtungsversuch unternommen habe. In einem geleakten Dokument der US-Geheimdienste, das der „New York Times“ vorliegt, wird von einem Treffen zwischen den Männern am 22. Februar 2023 berichtet – anberaumt von Putin.

Dem Dokument nach sei es bei dem Treffen „zumindest teilweise“ um Prigoschins öffentliche Anschuldigungen und die resultierenden Spannungen mit Schoigu gegangen. Zum Ergebnis des Treffens steht offenbar nichts in dem Dokument.

Wenn Datum und Inhalt des Treffens stimmen, war es jedoch offensichtlich nicht erfolgreich, da Prigoschin im März erneut wegen fehlender Munition gegen das Verteidigungsministerium austeilte.

Streit um russische Todeszahlen

Dem neuen Leak zufolge gibt es auch in Hinblick auf die Opferzahlen des russischen Militärs in der Ukraine Streit zwischen dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und dem Verteidigungsministerium.

Wie die „New York Times“ unter Berufung auf eines der veröffentlichten Dokumente berichtet, habe der FSB dem Verteidigungsministerium die Verschleierung der Zahlen über die russischen Opfer in der Ukraine vorgeworfen. US-Geheimdienstvertreter werten das als Beleg, dass das Verteidigungsministerium zögerlich dabei sei, schlechte Nachrichten an die Kreml-Führung zu melden.

FSB-Beamte würden behaupten, so zitiert die „New York Times“ aus einem Dokument, dass die Zahl der Toten und Verwundeten unter der russischen Nationalgarde, der Wagner-Söldnertruppe und den von Ramsan Kadyrow eingesetzten Kämpfern nicht berücksichtigt würde. Das Verteidigungsministerium arbeite also mit geschönten, zu niedrigen Opferzahlen, so der Vorwurf.

In dem Dokument vom 28. Februar nenne der FSB eine Zahl in der Nähe von 110.000 toten und verwundeten Russen. Allerdings stehe nicht im Dokument, welche Zahlen das Verteidigungsministerium intern kommuniziere. Russische Behörden haben seit September 2022 keine neuen Schätzungen zu getöteten Soldaten veröffentlicht, damals zählte das Verteidigungsministerium 5937 Tote. US-Experten gehen dagegen von rund 200.000 verwundeten oder getöteten russischen Soldaten aus.

Welchen Informationen aus dem Leak ist zu trauen?

Es ist derzeit nicht klar, in welchem Umfang den Informationen aus dem Leak getraut werden kann.

Südkorea und die USA zweifeln zumindest in Teilen an der Echtheit der durchgestochenen US-Geheimdienstpapiere, auch Kiew sprach von teilweisen Fälschungen. Das britische Verteidigungsministerium schreibt auf Twitter von einem „ernstem Level der Ungenauigkeit“. Welche Informationen nicht stimmen sollen, ist diesen offiziellen Verlautbarungen jedoch nicht zu entnehmen.

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